Warum Notenedition?

Wenn ich eine Notenausgabe kaufe oder in der Bibliothek ausleihe, gehe ich davon aus, dass die Noten, die ich lese auch die sind, die der Komponist erschaffen hat. Warum gibt es dann von manchen Kompositionen so viele verschiedene Ausgaben? Und wie kommt es, dass die sich inhaltlich auch noch unterscheiden? Was ist denn nun das Original?
Wenn der Komponist nicht mehr lebt, kann man ihn folglich nicht mehr fragen, was er gewollt hat. Man braucht also einen Sachverständigen, der in der Lage ist, die Absicht des Komponisten zu rekonstruieren. Jemand der die Musik in ihren historischen Kontext setzen kann, um sie dann in heutige Notation zu übersetzen.
Dieser Prozess ist die Edition. Zum Edieren gehört zuerst einmal alle Quellen zusammen zu tragen, die vom Komponisten höchst persönlich verfasst wurden. Letzlich kann ich mir nur bei diesen autographen Quellen sicher sein, dass niemand anderes seinen Senf dazu gegeben hat. Danach können auch Briefe nützlich sein. Mit Verlegern wurde vielleicht die Drucklegung inklusive einiger Korrekturgänge besprochen oder befreundete Komponisten wurden um Rat gefragt. Alles was hilft, den Kompositionsprozess nachzuvollziehen muss beachtet werden.
Die Wahrheit ist, dass die Komposition eigentlich nie in einer einzigen Quelle zu finden ist. Das ‚Original‘ gibt es nicht. Komponisten machen auch Fehler beim Abschreiben in die Reinschrift zum Beispiel: Vorzeichen vergessen, Schlüssel nicht beachtet, Transposition verdreht. Um Fehler von Absicht unterscheiden zu können, muss ich den Arbeitsprozess bis ins Detail nachvollziehen können. Trotzdem werde ich jede Änderung, die ich vornehme dokumentieren und begründen, damit jeder Musiker selbst entscheiden kann, ob er meiner Argumentation folgen möchte oder nicht.
Notenausgaben sind die Basis für jede Beschäftigung mit älterer Musik. Deshalb ist es wichtig, dass in den Noten auch das drin steht, was der Komponist gemeint hat, finde ich.

Die historisch-kritische Edition
Urtext – eine kleine Geschichte
Editionsformen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert